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Eine neue Wissenschaft wird geboren…

… und kann – so der Urheber der neuen Wissenschaft – die Geographie nicht nur ergänzen, sondern eigentlich auch ersetzen….

Eine Diskussion unter/mit Geographen dazu ist nicht bekannt.

Küster, Hansjörg:
Die Entdeckung der Landschaft. Einführung in eine neue Wissenschaft. (München 2012)

Zitate:

An allen diesen Problemen kann eine wissenschaftliche Betrachtung von Landschaft ansetzen. Es geht darum zu klären, was eine Landschaft ist, wie sie von Natur und Kultur geprägt wurde und wird, welche Interpretationen und Ideen dazu entwickelt wurden und wie diese Gedanken in der Folgezeit auf das Verhältnis von Menschen zu ihrer Umwelt einwirkten. 9

Aus wissenschaftlicher Sicht muss man vom Wandel der Natur, vom Werden und Vergehen ausgehen. 13

In allen drei Dimensionen – Natur, Kultur und Idee – betrachtet, kann Landschaft zum Thema einer Wissenschaft werden, de4r Landschaftswissenschaft. 15

Gute Planung sollte also konsekutiv auf einer detaillierten Erfassung des Werdens und des Zustandes von Landschaften aufbauen, wie sie von der Landschaftswissenschaft geleistet wird. (…) Sie braucht eine eigene disziplinäre  Stellung separat von den Planungsfächern (…). 17

Landschaftswissenschaft steht zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Sie berührt Fächer, die traditionell voneinander separiert in diesen beiden „Reichen“ der Wissenschaften angesiedelt sind: Geographie, Geologie und Biologie bzw. Ökologie, die historischen Disziplinen, Philosophie und philologische Fächer (…). 18

Das Buch richtet sich nicht nur an Landschaftswissenschaftler, die einer noch sehr jungen Disziplin angehören, welche zwischen natur- und kulturwissenschaftlichen Fächern steht (…) 19

Jede Zielgruppe wird in diesem Buch möglicherweise nach anderen Inhalten suchen. Vor allem geht es um die Herstellung der Zusammenhänge von Landschaft, und zwar in Raum und Zeit (…). Für Geographen ist es wichtig, ihre Untersuchungsergebnisse im Raum mit historischen Evidenzen in Beziehung zu setzen. 20

Landschaftswissenschaft kann noch eine weitere sehr wichtige Aufgabe für Land- und Forstwirtschaft erfüllen: Mit ihren Grundlagen lässt sich die Tätigkeit des in der Landschaft wirtschaftenden Menschen besser und klarer kommunizieren. 20

Landschaftswissenschaft ist eine Basis für Architektur, Raumplanung, Landschaftsplanung
und -architektur. (…) Sie dürfen nicht nur auf andere planerische Größen (z.B. Bevölkerungsentwicklung) (…) Rücksicht nehmen, sondern sollten auch die besonderen Gegebenheiten eines Raumes kennen, wie sie von der Landschaftswissenschaft erschlossen werden. 21

Denn die Landschaftswissenschaft eröffnet einen neuen Blick auf das Verhältnis von Menschen zu ihrer Umwelt. 22

Landschaftswissenschaft ist ein junges und daher noch wenig entwickeltes Fachgebiet. Sie entspricht nicht genau einem der bislang bekannten Fächer, etwa der Geographie, der Ökologie oder der Kunstgeschichte, sondern es geht bei ihr immer um die Synthese, auch um die Kombination von Wissen aus verschiedenen Fächern. 22

Innerhalb der Geographie ging man mehr und mehr dazu über, Landschaften von ihren Grenzen her zu definieren. Solche Landschaften bestehen aber weder materiell in unserer Umwelt noch konkret auf einem Landschaftsgemälde. Sie sind vielmehr abstrakt erschlossene Gebilde. / Das Gebiet der Alpen ist so groß wie alles, was man für die Alpen hält. 32 f.

Der Landschaftsbegriff der Geographen oder Ökologen unterscheidet sich also nicht von demjenigen von Künstlern oder Laien. 35

In der Landschaftswissenschaft geht es darum, das Charakteristische individueller Landschaften herauszustellen. Dabei steht nicht wie bei den exakten Naturwissenschaften allein die Analyse im Zentrum der Darstellung, sondern ebenso die Synthese. Unter anderem aus diesem Grund ist die Landschaftswissenschaft ein eigenständiges Fach, das sich klar von anderen Naturwissenschaften absetzt.  Auf der Grundlage der Erfassung individueller Landschaften kann man zu einer Typisierung von Landschaften gelangen und Namen von Typen festlegen, etwa Gebirgslandschaft, Küstenlandschaft, Waldlandschaft, Savannen- oder Tropenlandschaft. 37

Die Mondlandschaft ist durch Natur, kaum durch Nutzung, jedoch ebenfalls durch Metaphern und Reflexion geprägt. 37

Daher gibt es aus wissenschaftlicher Sicht nur Landschaften, eine Differenzierung in Natur- und Kulturlandschaften hingegen grundsätzlich nicht. 38

Zentrales Anliegen der Landschaftswissenschaft ist die Synthese, die Herstellung von Zusammenhängen in einer Landschaft. 41

Nach allen diesen Ausführungen wird klar, dass die Definition eines Ökosystems verbessert oder erweitert werden sollte. Ein Ökosystem ist demnach das Wirkungsgefüge, in dem sich Lebewesen in Wechselbeziehung zu ihrer unbelebten und belebten Umwelt, auch zu anderen Lebewesen entwickeln; sie können als abgeschlossene Systeme beschrieben werden, sind aber nicht strikt nach außen begrenzt. (…) Zwischen den Begriffen „Ökosystem“ und „Landschaft“ besteht der (…) Unterschied, dass eine Landschaft bewertet werden kann, ein Ökosystem aber nicht. 100

Landschaft muss stets als ein Ganzes gesehen werden, das sich in Raum und Zeit entwickelte. Insgesamt stellt dieses Ganze einen kulturellen Wert dar, der im Laufe von vielen Jahrtausenden seine besondere Prägung erhielt. Dieser Zusammenhang wird oft zu wenig gewürdigt. 307

Da in der Landschaft Spuren der Veränderungen von Natur ebenso zu erkennen sind wie Relikte von Strukturen, die auf jahrtausendelange menschliche Gestaltung zurückgehen, lässt sich mit Hilfe der Landschaftswissenschaft eine  Brücke schlagen von Fächern wie der Geographie und Ökologie,  in denen vor allem Erscheinungen im Raum untersucht werden, zu den historischen Wissenschaften, die vorrangig Erscheinungen im Lauf der Zeit untersuchen. (…) Mit Landschaftswissenschaft können sich nicht nur Spezialisten befassen, sondern auch Laien; denn Landschaft ist ein Thema, von dem sich weite Kreise der Bevölkerung angesprochen fühlen können, wenn sie entsprechend darauf hingewiesen werden. 311

Moderne  landschaftskundliche  Darstellungen sollten sich von heimatkundlichen Werken früherer Zeit unterscheiden. In ihnen sollte weniger die Aneinanderreihung von Fakten eine Rolle spielen; vielmehr sollten sie eine Anleitung geben, wie man  Zusammenhänge in einer Landschaft erkennt, und zwar durch den Vergleich einer Anschauung im Gelände mit interpretierender Darstellung. Diese Zusammenhänge machen Landschaften interessant, und nicht die Aneinanderreihung von Fakten, die von manchen Geographen despektierlich als „Briefträgerwissen“ abgekanzelt wird. 322